Meine Lehre in Österreich - Shaklawa Rashed: „Ich wusste nicht, wie die jungen Menschen hier sind“
In einer 9-teiligen Porträtreihe lässt SOS Mitmensch in den nächsten Wochen Menschen zu Wort kommen, die nach Österreich flüchten mussten und jetzt eine Lehre machen oder abgeschlossen haben. Wir unterstreichen damit unsere Forderung, Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, während ihrer oft langen Asylverfahren eine Lehre zu beginnen und nach Abschluss der Lehre im Land zu bleiben. Den Anfang macht die 25-jährige Shaklawa Rashed, die nach ihrer Flucht aus Syrien in Wien Bürokauffrau gelernt hat.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Karin Wasner
Die 25-jährige Shaklawa Rashed kam im Jahr 2014 mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern nach Österreich, nachdem ihr Vater, der schon ein Jahr zuvor aus Syrien geflüchtet war, einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt hatte. Schon nach 13 Tagen bekamen sie einen positiven Asylbescheid. Gemeinsam mit ihrer Familie lebt die Hobby-Influencerin in einer Wohnung am Rand von Wien.
Kurdisch, Arabisch, Englisch und Deutsch
„Ich bin 2014 mit meiner Familie nach Österreich gekommen. Da war ich 17 Jahre alt. Weil ich in Syrien im Gymnasium war, wollte ich hier unbedingt weiter in die Schule gehen, doch mir wurde gesagt, dass ich dafür erst Deutsch lernen muss. Ich habe die Kurse A1-B1 bei Interface Wien gemacht. Zufällig war man dort in einer anderen Abteilung gerade auf der Suche nach einem Lehrling und meine Deutschlehrerin hat mich gefragt, ob ich das machen will. Ich spreche kurdisch, arabisch, englisch und deutsch, und das ist für diesen Job sehr nützlich. Ich war eigentlich für das Abendgymnasium angemeldet, aber dachte mir dann, dass eine Lehre viel besser ist, weil ich arbeiten kann und in die Schule gehen, deshalb habe ich zugesagt.
„Ich habe mich dann nicht mehr wohlgefühlt“
Im September 2015 habe ich meine Lehre als Bürokauffrau begonnen. Anfangs war das eine der schönsten Zeiten, die ich hier erlebt habe. Ich war ganz neu, ich war frisch und ich wollte alles machen. Aber es war gleichzeitig auch schwer, vor allem in der Schule. Ich wusste nicht, wie die jungen Menschen hier sind, was sie machen. Ich erinnere mich, in der zweiten Woche oder so bin ich gekommen und eine Schülerin hat gesagt, „wir haben heute Schularbeit, weißt du das?“, und ich sagte, „Ja, ich weiß“, aber ich wusste nicht, was das heißt. Meine Lehrerinnen waren in erster Klasse nicht so hilfsbereit. Sie wussten, dass ich ganz neu bin, aber haben mir nicht geholfen. Ich habe mich dann nicht wohl gefühlt.
„Mir war die Arbeit lieber“
Ich musste die erste Klasse wiederholen und habe mir gesagt, dieses Jahr will ich wirklich Gas geben. In der ersten Klasse hatte ich keine Freunde. Ich muss die Leute kennenlernen. Ich habe sofort angefangen, mich vorzustellen und sie waren wirklich sehr sehr lieb. Mir war die Arbeit trotzdem lieber als die Schule. Dort habe ich mit vielen verschiedenen Menschen zusammengearbeitet. Susanne Schaidinger, meine Chefin bei Interface, hat mir wirklich sehr geholfen und war immer für mich da. Das ganze Team. Ich war dann aber auch gut in der Schule, keine Vierer und fast keine Dreier. Die Lehrabschlussprüfung habe ich im Oktober 2019 geschafft.
Auf der Suche nach einem Job
Jetzt arbeite ich nur noch freiwillig bei Interface und übersetze, wenn etwas gebraucht wird. Nach der Lehre wollte ich mich weiterbilden. Ich habe EDCL Kurse besucht und mache derzeit einen C1 Deutschkurs. Ich suche einen neuen Job, aber wegen Corona ist das ziemlich schwierig. Ich will die Studienberechtigungsprüfung machen und studieren. Entweder etwas mit Sprache, weil ich da Talent habe, oder Naturwissenschaften. Aber man muss ja nicht alles gleichzeitig machen.
Beauty-Tutorials im Netz
Ich bin Influencerin im Beautybereich und habe unter dem Namen @sheri_show einen Youtube-Kanal und ein Instagram-Profil. Ich hatte anfangs keine Ahnung wie das geht und habe mir alles selbst beigebracht. Von meinem Ersparten habe ich mir einen Laptop und ein Ringlight für die Aufnahmen gekauft. Jetzt drehe, schneide und bearbeite ich die Videos selbst. Ich mache das seit bald zwei Jahren und habe schon über 60.000 Follower. Ich habe die Videos am Anfang nur auf arabisch gemacht, dann aber gemerkt, dass mir auch viele Leute aus anderen Ländern folgen. Ich bin Kurdin aus Syrien. Es gibt aber viele Kurden die kein Arabisch können und viele arabische Leute, die kein kurdisch sprechen. Weil mir auch Leute aus Österreich, Deutschland und Amerika folgen, spreche ich in meinen Videos jetzt arabisch, kurdisch und deutsch und mache die Untertitel auch in Englisch. Ich habe dadurch schon viele Leute kennengelernt und einige sind meine Freunde geworden.“
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der 9-teiligen Porträtreihe „Meine Lehre in Österreich“ erzählen junge Frauen und Männer, wie sie nach ihrer Flucht ihre Lehrstelle gefunden haben und wie sie ihre Ausbildung erleben. Ihre Geschichten zeigen die Hürden und Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft konfrontiert werden. Es sind aber auch Erfolgsgeschichten von genutzten Chancen, Freundschaft und Menschlichkeit. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte.
SOS Mitmensch kämpft weiter für den Zugang zu Lehre und Arbeit für Asylsuchende und für ein Ende der Abschiebung von Menschen, die sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben!
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