
Wifo-Studie belegt Nichtfunktionieren des Arbeitsverbots für Asylsuchende
SOS Mitmensch begrüßt die Veröffentlichung der Wifo-Studie über die „Auswirkungen einer Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges für Asylsuchende in Österreich“. Die Studie zeigt, dass das jetzige System des weitgehenden Arbeitsverbots erhebliche integrations- und sozialpolitische Nachteile mit sich bringt. Erschreckend ist, dass vor allem Frauen durch das jetzige System massiv benachteiligt werden.
Kontingentsystem nicht richtlinienkonform
SOS Mitmensch sieht sich durch die Ergebnisse der Studie in seiner Kritik am derzeitigen System, das Asylsuchenden lediglich die befristete Arbeit in einigen wenigen, kontingentierten Bereichen ermöglicht, bestätigt. Die Wifo-Studie sagt dazu ganz klar, dass „die im Vergleich zu den Asylantragszahlen sehr geringen Zahlen an Kontingentbewilligungen für Asylsuchende Zweifel darüber aufkommen lassen, ob es bei Beibehaltung der gegenwärtigen Regel möglich ist, den AsylwerberInnen entsprechend der EU-Richtlinie 2013/33/EU einen effektiven Arbeitsmarktzugang zu gewähren.“ Darüber hinaus halten die StudienautorInnen fest, dass „der Arbeitsmarktzugang in diesen Kontingenten auch nicht sehr nachhaltig ist. Die durchschnittliche Dauer des Beschäftigungsverhältnisses in einer solchen Bewilligung betrug nur etwa 120 Tage.“
Arbeitsmarktzugang auf alle Sektoren erweitern
„Um AsylwerberInnen einen effektiven Arbeitsmarktzugang zu gewähren, wäre es daher (auch aus Sicht der Arbeitsmarktpolitik) notwendig, diesen nicht nur auf einige wenige Sektoren zu beschränken und zu kontingentieren, sondern ihn auf alle Sektoren zu verbreitern“, schreibt die Wifo-Studie. Dieser Ansicht schließt sich SOS Mitmensch voll und ganz an und verweist dazu auf das Beispiel Deutschland, wo Asylsuchende nach drei Monaten in allen Bereichen arbeiten dürfen und es nach 15 Monaten Aufenthalt auch keine Benachrangung mehr gegenüber deutschen Arbeitskräften gibt.
Stabilere soziale Absicherung wichtig
Die Wifo-Studie betont auch die Wichtigkeit eines besseren Übergangs zwischen Arbeit und Grundversorgung: „Bei einer Ausweitung des Arbeitsmarktzuganges für AsylwerberInnen über die gegenwärtige Kontingentierung und Branchenfokussierung hinweg muss auch an einer besseren Koordination der sozialen Absicherung von AsylwerberInnen gearbeitet werden“, so die StudienautorInnen. Und weiter: „Es wird notwendig sein, verstärkt Vorkehrungen für den Übergang zwischen Beschäftigung und Grundversorgung von AsylwerberInnen zu schaffen, bei denen auch sichergestellt sein muss, dass sich die Arbeitsaufnahme für AsylwerberInnen bezahlt macht, da ansonsten zu befürchten wäre, dass ein effektiver Arbeitsmarktzugang für AsylwerberInnen mangels Arbeitsanreizen verhindert würde.“
Frauen besonders benachteiligt
Erschreckend ist für SOS Mitmensch ein weiteres Ergebnis der Studie, das belegt, dass insbesondere Frauen von der Benachteiligung von Asylsuchenden am Arbeitsmarkt betroffen sind. Die StudienautorInnen schreiben dazu: „Es zeigt sich eine besondere Benachteiligung von aus Asylgründen zugewanderten Personen, die erst kurz in Österreich anwesend sind und – österreichspezifisch – eine besondere Benachteiligung von aus Asylgründen zugewanderten Frauen.“ Die StudienautorInnen erklären diese Benachteilung mit „einer Kombination aus besonders unvorteilhaften Migrationsbedingungen von AsylwerberInnen, besonderen Problemen bei der Anerkennung der formalen Ausbildung von AsylwerberInnen, langen Stehzeiten außerhalb des Arbeitsmarktes während des Asylverfahrens und der Ansiedlung in Regionen, in denen die spezifischen Qualifikationen der AsylwerberInnen am Arbeitsmarkt nicht nachgefragt werden.“
Positive Wohlfahrtseffekte von Arbeiten-Dürfen
SOS Mitmensch weist darüber hinaus darauf hin, dass die Wifo-Studie für den Fall eines stark erleichterten Arbeitsmarktzugangs für Asylsuchende (ohne Arbeitsmarktprüfung) zwar von einem geringen Anstieg der Arbeitslosigkeit von 0,1 bis 0,2 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren ausgeht, die Studie aber auch von positiven wohlfahrts-, export- und potentiell auch innovationssteigernde Wirkungen spricht. Die StudienautorInnen betonen in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur einen Arbeitsmarkt in Österreich gebe, sondern eine Vielzahl von Arbeitsmärkten für unterschiedliche Fähigkeiten. Menschen mit unterschiedlichen Qualifikationen können sich daher auch belebend auf den Arbeitsmarkt auswirken.
Fehlende Daten zeigen Desinteresse der Politik an Integration von Flüchtlingen
Scharfe Kritik übt SOS Mitmensch an der katastrophalen Datenlage, die von den StudienautorInnen hervorgehoben wird. „Die fehlenden Daten über die in Österreich lebenden Asylsuchenden zeigen, dass es ein fatales Desinteresse der Regierung an der Integration von Flüchtlingen gibt“, kritisiert SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak. Die StudienautorInnen des Wifo schreiben dazu. „Hinsichtlich aller Untersuchungsziele ist einschränkend festzuhalten, dass die Datenlage und der Wissensstand zu Struktur und Zahl der von einer solchen Lockerung des Arbeitsmarktzuganges betroffenen Personen sehr mangelhaft sind…Die Frage nach den tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen einer Lockerung des Arbeitsmarktzugangs von AsylwerberInnen kann nur durch empirische Untersuchungen geklärt werden. Eine solche Untersuchung scheitert allerdings an der mangelhaften Datenlage zum Arbeitsmarktverhalten von AsylwerberInnen in Österreich und den fehlenden historischen Erfahrungen mit einer solchen Ausweitung des Arbeitsmarktzugangs auf alle Branchen.“
Arbeitsmarktzugang hat kaum Einfluss auf Antragszahlen
Zu guter letzt hält die Studie auch fest, dass Änderungen in der Regelung der Arbeitsaufnahme von AsylwerberInnen „im Durchschnitt nur einen geringen Einfluss auf die bilateralen Flüchtlingsbewegungen zwischen Ländern haben“. „Selbst in Fällen, in denen eine solche Wirkung vermutet werden könnte, könnten aufgrund der gemessenen Effekte für Österreich in etwa 500 bis 550 zusätzliche Asylanträge pro Jahr erwartet werden“, so die StudienautorInnen.
Arbeitslosigkeit bekämpfen – auch die von Asylsuchenden!
„Wir teilen die Sorge über die hohe Anzahl an Arbeitslosen in Österreich, aber es braucht eine vernünftige Diskussion darüber, ob Asylsuchende weiterhin für viele Monate oder gar Jahre ins soziale Aus befördert werden sollen oder ob man ihnen die Möglichkeit gibt, auf eigenen Beinen zu stehen. Hier lebende Menschen zur Arbeitslosigkeit zu verdammen ist jedenfalls kein gutes Mittel, um Arbeitslosigkeit zu bekämpfen“, betont SOS Mitmensch-Sprecher Pollak abschließend.
Fragen und Antworten zum Thema Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden finden Sie hier: Fragen und Antworten zum Thema Arbeitsmarktzugang von Asylsuchenden
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