Sebastian Kurz & Co sollen Staatsbürgerschaftstest absolvieren
Ein fairer Vergabemodus für die Staatsbürgerschaft ist ein so hohes Gut für unsere Demokratie, dass nur gut informierte PolitikerInnen mitentscheiden sollten. Allerdings hat sich in den vergangenen Wochen wiederholt gezeigt, dass EntscheidungsträgerInnen, darunter auch Staatsekretär Kurz, Wissenslücken in Bezug auf das Staatsbürgerschaftsrecht aufweisen. Daher präsentiert SOS Mitmensch eine Woche vor der Abstimmung des Nationalrats über die Einbürgerungsnovelle einen aus acht Fragen bestehenden Staatsbürgerschaftstest für PolitikerInnen.
Frage 1: Ein nichtösterreichisches Ehepaar lebt seit mehr als 10 Jahren durchgehend legal in Österreich und freut sich über Nachwuchs. Ihr in Österreich geborenes Kind
a) wird bei Geburt automatisch ÖsterreicherIn
b) hat nach 6 Jahren durchgehendem Aufenthalt in Österreich einen bedingungslosen Rechtsanspruch auf Einbürgerung
c) hat, auch wenn es sein ganzes Leben in Österreich verbringt, niemals einen bedingungslosen Rechtsanspruch auf Einbürgerung.
Frage 2: Eine Pensionistin, die vor mehr als 30 Jahren nach Österreich gekommen ist, lebt in einer 380 Euro Mietwohnung. Sie hat immer gearbeitet und bezieht jetzt eine Pension von 900 Euro. Die Dame
a) kann sich aufgrund ihres mehr als 30-jährigen Aufenthalts in Österreich jederzeit auch ohne Deutschprüfung und Staatsbürgerschaftstest einbürgern lassen.
b) muss sämtliche Tests absolvieren und kann sich dann einbürgern lassen.
c) kann sich weder jetzt noch in der Zukunft einbürgern lassen, weil das Pensionseinkommen dafür nicht ausreicht.
Frage 3: Einbürgerungswillige Einzelpersonen ohne Kinder müssen über einen Zeitraum von 3 Jahren ein Nettoeinkommen von monatlich mindestens 837,63 Euro plus Geld für Miete, Heizung, Strom, Telefon, Internet und Fernsehen (minus 267,64 Euro Freibetrag) plus sonstige regelmäßig anfallende Aufwendungen plus etwaige Kreditraten nachweisen. Das Überspringen dieser Einkommensgrenze
a) schaffen fleißige Arbeiterinnen und Arbeiter in Österreich meist locker.
b) ist kein Problem für Teilzeitbeschäftigte.
c) bereitet vor allem Frauen überhaupt keine Schwierigkeiten.
d) ist so schwierig, dass etwa ein Viertel der österreichischen Gesamtbevölkerung daran scheitern würde. Darunter sind viele Frauen, weil Frauen oft unbezahlte Arbeit leisten, Teilzeitjobs machen und/oder in Niedriglohnbranchen arbeiten.
Frage 4: Wer AlleinerhalterIn einer vierköpfigen Familie (Eltern und 2 Kinder) ist und gemeinsam mit PartnerIn und Kindern ÖsterreicherIn werden möchte, muss über einen Zeitraum von 3 Jahren ein Nettoeinkommen von monatlich mindestens 1255,89 Euro plus 258,48 Euro für die zwei Kinder plus Geld für Miete, Heizung, Strom, Telefon, Internet und Fernsehen (minus 267,64 Euro Freibetrag) plus sonstige regelmäßig anfallende Aufwendungen plus etwaige Kreditraten nachweisen. Es gibt in Österreich laut AMS-Gehaltskompass
a) mehr als 50 Berufe, in denen eine Vollzeitbeschäftigung oft nicht reicht, um diese Einkommensgrenze zu erreichen.
b) mehr als 100 Berufe, in denen eine Vollzeitbeschäftigung oft nicht reicht, um diese Einkommensgrenze zu erreichen.
c) mehr als 300 Berufe, in denen eine Vollzeitbeschäftigung oft nicht reicht, um diese Einkommensgrenze zu erreichen.
d) mehr als 600 Berufe, in denen eine Vollzeitbeschäftigung oft nicht reicht, um diese Einkommensgrenze zu erreichen.
Frage 5: Wer in Österreich geboren und aufgewachsen ist und sein/ihr ganzes Leben hier verbracht hat, kann auch ohne eingebürgert zu sein
a) bei der Polizei arbeiten.
b) bei Landtags- und Nationalratswahlen kandidieren.
c) bei Landtags- und Nationalratswahlen wählen.
d) eine politische Versammlung anmelden.
e) zum Bundesheer gehen.
f) auf den regelmäßigen Gang auf die Fremdenbehörde verzichten.
g) nichts von alledem.
Frage 6: Um in Österreich eingebürgert werden zu können, muss man im Regelfall
a) insgesamt 10 Jahren legal in Österreich gelebt haben, unabhängig von der Art des Aufenthaltstitels.
b) insgesamt 10 Jahren legal in Österreich gelebt haben, davon zumindest 5 Jahre mit Niederlassungsbewilligung.
c) durchgehend 10 Jahre legal in Österreich leben, davon zumindest 5 Jahre mit Niederlassungsbewilligung, wobei eine kurze Unterbrechung des Aufenthaltstitels kein Problem darstellt (die Zeit wird an die 10 Jahren drangehängt).
d) durchgehend und ohne auch nur einen Tag Unterbrechung des Aufenthaltstitels 10 Jahre in Österreich leben, davon zumindest 5 Jahre mit Niederlassungsbewilligung. Wird der Aufenthaltstitel, etwa aufgrund einer Fristversäumnis, auch nur für einen Tag unterbrochen, beginnt die 10-Jahres-Frist von neuem zu laufen. Eine Einbürgerung rückt dann in weite Ferne.
Frage 7: Wer alle Kriterien für die Einbürgerung erfüllt,
a) kann unbürokratisch ÖsterreicherIn werden.
b) muss der Behörde bis zu 10 Dokumente und Nachweise mitbringen.
c) muss der Behörde bis zu 20 Dokumente und Nachweise mitbringen.
d) muss der Behörde bis zu 30 Dokumente und Nachweise mitbringen.
e) muss der Behörde bis zu 40 Dokumente und Nachweise mitbringen und in manchen Bundesländern sogar einen handschriftlich (!) verfassten Lebenslauf.
Frage 8: Wer von den Behörden am Ende des Tages grünes Licht für die Einbürgerung erhält, muss
a) so wie in Deutschland, Gebühren in der Höhe von 255 Euro zahlen.
b) doppelt so viel zahlen wie in Deutschland.
c) dreimal so viel zahlen wie in Deutschland.
d) bis zu zehnmal so hohe Gebühren zahlen wie in Deutschland.
Fakt ist: Immer mehr in Österreich geborene, aufgewachsene oder bereits lange hier ansässige Menschen sind von der Staatsbürgerschaft und damit von demokratischen Grundrechten ausgeschlossen. Der Politikwissenschaftler Prof. Rainer Bauböck spricht in diesem Zusammenhang von einem „demokratischen Defizit“, das erzeugt wird. Wenn wir unsere Demokratie stärken und auf nachhaltige Beine stellen wollen, müssen wir das ändern.
Hier die Auflösung des Staatsbürgerschaftstests:
Richtig sind 1c, 2c, 3d, 4d, 5g, 6d, 7e, 8d