Weihnachten hinter Gittern - die Folgen der Bettelverordnung
Wenn Frank S. bis zum 24. Dezember keine 300 Euro auftreiben kann, muss er die Weihnachtstage hinter Gittern verbringen. Er hat niemanden geschädigt oder gefährdet. Dennoch hat er eine für ihn unbezahlbare Strafe wegen „Erschwerung des Vorwärtskommens von Passanten“ und „gewerbsmäßiger und organisierter Bettelei" erhalten. SOS Mitmensch startet deshalb jetzt eine EMAIL-PROTESTAKTION.
Frank S.* ist Straßenzeitungsverkäufer in Wien. Er verkauft das von SOS Mitmensch herausgegebene MO-Magazin für Menschenrechte. Vergangenes Jahr wurde er von der Polizei am Naschmarkt angehalten und angezeigt, weil er, laut Polizeibericht, „durch sein Gehabe und seine Erscheinung der Bettlerszene zugeordnet werden konnte“ und weil er „wahllos Passanten angesprochen und versucht habe, Zeitungen zu verkaufen“. Darüber hinaus habe der Angezeigte, so die Polizei, „nach dem Ansprechen, Personen die Hände entgegengestreckt und um Spenden gebeten“.
S. bestreitet die Darstellung der Polizei. Er habe zum von der Polizei angegebenen Zeitpunkt weder Zeitungen feilgeboten noch gebettelt. Dennoch wurden er und vier weitere Personen von der Polizei angezeigt, eine Kolporteurin wurde sogar auf das Polizeirevier mitgenommen und musste sich dort zweimal nackt ausziehen und am ganzen Körper durchsuchen lassen. Der Jurist Ronald Frühwirth reichte zusammen mit SOS Mitmensch eine Maßnahmenbeschwerde gegen die schikanöse Behandlung der Kolporteurin ein. Der Unabhängige Verwaltungssenat gab der Beschwerde statt, die Vorgangsweise der Polizei wurde für rechtswidrig erklärt.
Die polizeilichen Anzeigen wegen „gewerbsmäßigen Bettelns“, „organisierten Bettelns“ und „Erschwerung des Vorwärtskommens von PassantInnen“ blieben jedoch aufrecht und so erhielt S. vor wenigen Tagen ein Schreiben, in welchem er dazu aufgefordert wird, mehr als 300 Euro Strafe zu zahlen. Bei Nichtbezahlung müsse er eine sechstägige Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis verbüßen. Die Zahlungsfrist läuft genau am 24. Dezember ab.
Wenn S. es bis dahin nicht schafft, das Geld aufzubringen, muss er Weihnachten hinter Gittern verbringen. Als S. von der Polizei angehalten und angezeigt wurde, hatte er übrigens kaum ein paar Euro bei sich.
Dass Menschen, die niemandem etwas zu Leide getan haben und auch niemanden gefährdet haben, ins Gefängnis müssen, ist ein Wahnsinn und darf nicht einfach hingenommen werden. Die Politik hat beschämende Anti-Bettelparagraphen geschaffen, und behördlicher Willkür Tür und Tor geöffnet. Es genügt bereits, dass sich drei Armutsbetroffene miteinander unterhalten und schon gelten sie für die Behörden als „organisierte Bettelbande“. Und wer mehr als einmal um Spenden bittet gilt oftmals bereits als "gewerbsmäßiger Bettler".
Bitte schicken Sie jetzt ein PROTESTMAIL an den Wiener Bürgermeister.
Nachtrag: Inzwischen haben sich hilfsbereite BürgerInnen bereit erklärt, die ausstehende Strafe von 300 Euro wegen Verstoßes gegen die Bettelverordnung zu begleichen. Sie bescheren S. damit ein Weihnachtsfest in Freiheit und mit seiner Familie. Mehr dazu HIER
*Name von der Redaktion geändert
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