
MO-Magazin: Verfassungsjurist Heinz Mayer: „Das ist alles Ideologie von vorvorgestern!“
In der aktuellen Ausgabe des von SOS Mitmensch herausgegebenen MO-Magazin für Menschenrechte übt Verfassungsjurist Heinz Mayer scharfe Kritik am Staatsbürgerschaftsrecht und äußert dringenden Handlungsbedarf. Im Interview betont er darüber hinaus, dass das Wahlrecht ein Menschenrecht ist.
Keim der Spaltung
Der Ausschluss von so vielen hier lebenden Menschen trage „den Keim der Spaltung in sich“ und sei ein „großes Integrationshemmnis“, so Mayer. „Personen, die nicht wählen dürfen, werden sich mit dem Staat eher nicht identifizieren.“ Die Verknüpfung von strengem Staatsbürgerschaftsrecht und Wahlrecht führe zwangsläufig dazu, „dass Menschen, die seit längerem hier leben, nicht wählen und damit nicht mitbestimmen dürfen“, erklärt Mayer im Interview weiter. Das habe fatale Konsequenzen: „Sie leben hier, arbeiten hier und haben ihre Familien hier, aber sie haben keinen Einfluss auf Gestaltung und Mitbestimmung. Zu Recht sagen sie sich, sie wollen mich ja gar nicht, ich bin ein anderer, ich gehöre nicht ganz dazu.“
Ideologie von vorvorgestern
Der Verfassungsjurist kritisiert, dass das Staatsbürgerschaftsrecht gesellschaftlichen Entwicklungen hinterherhinkt: „Menschen sind heute mobiler und flexibler. Das würde erfordern, dass das Staatsbürgerschaftsrecht nachzieht.“ Ursache dieses Reformstaus sei, dass „von konservativen Kreisen die Staatsbürgerschaft sehr mystifiziert ist und die Staatsbürgerschaft als heiliges Treueband zwischen Staat und Bürger“ verstanden wird. „Das ist alles Ideologie von vorvorgestern“, so Mayer.
Österreich ist ein Einwanderungsland
Österreich gehöre zwar zu den sogenannten Einwanderungsländern, das werde aber von konservativen, rechten Politikern geleugnet. Es werde so getan „als ob nur ‚autochthone Österreicher‘ wirkliche Österreicher wären“ und „in wir und die anderen“ geteilt. Kritisch sieht Mayer auch die Praxis, Prominente, die reich oder sportlich erfolgreich sind, schnell einzubürgern. Das halte er in Hinblick auf die vielen Menschen, denen die österreichische Staatsbürgerschaft jahrelang verwehrt wird, für „höchst unlauter“.
Inklusivere Demokratie
Mayer nennt im Interview auch konkrete Lösungsvorschläge: Die Staatsbürgerschaft solle schneller verliehen oder beschlossen werden, sodass „alle Staatsbürger sowie Personen, die eine bestimmte Anzahl von Jahren hier einen verfestigten Aufenthalt haben, wahlberechtigt sind.“ Denn: „Demokratie bedeutet, dass der Bürger am Rechtssystem, das ihn schließlich konkret betrifft, mitbestimmen können soll.“
Wahlrecht ist Menschenrecht
Auch aus menschenrechtlicher Sicht sieht Verfassungsjurist Mayer wachsenden Handlungsbedarf und verweist auf ein mögliches Eingreifen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte: „Das Wahlrecht ist ja auch ein Menschenrecht. Es ist zwar an die Staatsbürgerschaft geknüpft, daran wird man festhalten, aber es könnte eingefordert werden, dass die Staatsbürgerschaft schneller verliehen wird.“
Pass Egal Wahl
SOS Mitmensch setzt mit der Wiener Pass Egal Wahl (17. August bis 6. Oktober) ein starkes Zeichen gegen den immer größer werdenden Demokratieausschluss von hier lebenden Menschen.
Das gesamte Interview mit Heinz Mayer finden Sie HIER.